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Artikel
17. Sept. 2025

Wie Unternehmen KI nachhaltig denken können

von Daniel Schlee

Generative Künstliche Intelligenz gilt derzeit als das, was das Internet Mitte der 90er-Jahre war: eine neue Technologie mit disruptivem Potenzial. Mit zunehmendem KI-Einsatz wächst allerdings gleichzeitig die Sorge, wie sie sich auf Nachhaltigkeit auswirkt – und zwar nicht nur aus ökologischer Perspektive: Rechenzentren, die das Rückgrat dieser Technologie bilden, stehen bereits heute für rund ein bis zwei  Prozent des globalen Stromverbrauchs. Darüber hinaus braucht ein durchschnittliches Rechenzentrum jährlich einen Badesee voll Kühlwasser.

Prognosen zufolge wird sich der Anteil am globalen Energieverbrauch in den nächsten zehn Jahren sogar mindestens verdoppeln. Laut einer aktuellen Greenpeace-Studie führt der enorme Energiebedarf außerdem zu einer Konkurrenz beim Ausbau von Kapazitäten für erneuerbare Energien und sorgt so mitunter dafür, dass fossile Energiequellen aus Kohle und Gas länger im Netz bleiben. Auch in puncto soziale Nachhaltigkeit sind die Auswirkungen enorm. Generative KI kann stereotype, geschlechterspezifische Einstellungen negativ verstärken, hält aber gleichzeitig große Chancen für die Inklusion und Gleichberechtigung benachteiligter Gruppen in Bildung und Arbeit bereit.

All diese Entwicklungen werfen Fragen auf: Wie kann eine Technologie, die so viele Ressourcen verbraucht, gleichzeitig zur Lösung globaler Nachhaltigkeitsprobleme beitragen? Und: Welche Kompetenzen braucht es in Unternehmen, um KI nicht nur technologisch, sondern auch verantwortungsvoll zu beherrschen?

Fest steht: KI ist weder per se nachhaltig noch nicht nachhaltig. Sie ist ein Werkzeug – und wie bei jedem Werkzeug hängt sein Nutzen davon ab, wie wir es einsetzen. Es liegt also an uns, wie wir mit dieser Ambivalenz umgehen – und wie wir KI nicht nur effizient, sondern auch nachhaltig gestalten.

Nachhaltige KI braucht neue Kompetenzen – und Bewusstsein

Wer KI implementiert, muss mehr tun, als Daten sammeln und Modelle trainieren. Unternehmen sollten gleichzeitig Verantwortung übernehmen und entsprechend den gesamten Lebenszyklus von KI-Anwendungen betrachten: von der Wahl der Recheninfrastruktur über die Trainingsdaten – und deren Transparenz – bis hin zu den Einsatzbereichen und ihrer ökologischen und gesellschaftlichen Wirkung. In diesem Zusammenhang unterscheidet man nämlich zwischen der Nachhaltigkeit von KI (als Technologie) und KI für Nachhaltigkeit (dem Einsatzzweck).

Dafür brauchen Unternehmen in erster Linie neue Kompetenzen – interdisziplinär, vorausschauend und kritisch reflektierend. Es reicht nicht mehr, dass Data Scientists gut programmieren können. Sie müssen selbst möglichst divers sein, um zu verstehen, welche sozialen, ökologischen und ethischen Implikationen ihre Modelle haben. Gleichzeitig sollten sich Nachhaltigkeitsteams mit der Funktionsweise von KI auseinandersetzen, um fundierte Entscheidungen innerhalb des Unternehmens begleiten zu können. Denn die Zukunft liegt in der Schnittmenge dieser Welten.

Und vor allem braucht es ein Bewusstsein dafür, dass KI nie neutral ist. Jeder Algorithmus spiegelt Annahmen, Vorurteile und Zielsetzungen seiner Entwickler wider – bewusst oder unbewusst. Wer KI einsetzt, gestaltet also auch gesellschaftliche Realität mit. Das bedeutet Verantwortung – für Diskriminierungsrisiken ebenso wie für ökologische Auswirkungen.

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen KI-Strategie

Sind Kompetenzen und das Bewusstsein für den KI-Einsatz erst etabliert, gilt es, eine nachhaltige KI-Strategie aufzusetzen. Unternehmen sollten dabei zunächst verstehen und offenlegen, wie viel Energie ihre KI-Anwendungen verbrauchen – und wie sich dieser Verbrauch senken lässt. Dazu gehört beispielsweise der gezielte Einsatz von energieeffizienteren Modellen, sparsames Fine-Tuning statt vollständigem Training oder der Wechsel zu Rechenzentren mit erneuerbarer Energie.

Darüber hinaus ist es notwendig, Nachhaltigkeitskriterien in die Auswahl und Entwicklung von KI-Anwendungen zu integrieren – etwa über sogenannte AI Impact Assessments, die ökologische und soziale Auswirkungen systematisch erfassen. Dazu gehört auch, sich mit den AI Act-Regularien der Europäischen Union auseinanderzusetzen. Denn sie beinhalten neue Standards für Transparenz, Risikobewertung und ethische Leitlinien.

Nicht zuletzt geht es um Kultur: Nur wenn Unternehmen eine Haltung entwickeln, die Verantwortung, Transparenz und Nachhaltigkeit aktiv fördert, kann KI zum echten Hebel für eine bessere Zukunft werden. KI darf kein reines Tech-Thema bleiben. Stattdessen gehört KI in die Unternehmensstrategie, in die Kommunikation und in die Werte eines Unternehmens. Dazu zählt auch die Einsicht, dass nicht jedes Problem im Unternehmen durch KI zu lösen ist.

Zukunft gestalten heißt Verantwortung übernehmen

Der Einsatz von KI geht oft mit einer Abhängigkeit des eigenen Unternehmens von einzelnen Anbietern, Technologien oder Plattformen einher. Digitale Souveränität – also die Fähigkeit, technologische Entscheidungen selbstbestimmt und im Einklang mit Unternehmenswerten zu treffen – wird allerdings zur Voraussetzung für nachhaltiges Handeln. Denn nur wer die Kontrolle über Daten, Prozesse und Modelle hat, kann deren Auswirkungen steuern – und gegebenenfalls gegensteuern.

KI ist gekommen, um zu bleiben. Doch die Art und Weise, wie wir sie heute einsetzen, entscheidet darüber, ob sie Teil der Lösung oder Teil des Problems wird. Unternehmen, die ihre KI-Kompetenz nachhaltig denken, verschaffen sich nicht nur einen Vorsprung in der digitalen Transformation – sie übernehmen Verantwortung für ihren ökologischen Fußabdruck, für gesellschaftliche Auswirkungen und für eine Zukunft, die nicht nur smart, sondern auch lebenswert ist. KI darf kein blinder Fortschritt sein. Sie muss bewusst gestaltet werden – kompetent, reflektiert und eben nachhaltig.