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Artikel
27. Aug. 2019

Customer Experience

von Brigitte Liermann
weißes Riesenrad mit blauen Kabinen vor leicht bewölktem Himmel
weißes Riesenrad mit blauen Kabinen vor leicht bewölktem Himmel

„Wo zwei Menschen mehr als 60 Sekunden miteinander sprechen, ergibt sich eine Chance.“ Das ist Customer Experience. Customer Experience stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Aber steht er da nicht auch irgendwie im Weg?

Lohnt es sich am Ende des Tages wirklich, Hindernisse wie Datenschutz, starre Prozesse und den Gegenwind aus den eigenen Reihen aus dem Weg zu räumen? Und geht es nicht im Grunde doch immer nur ums Geld?

Wie genau gestaltet man den Sprung vom Buzzword in die Praxis?

Um dem Thema Customer Experience den Anschein des komplexen Wirr Warrs zu nehmen, haben wir uns drei zentralen Fragen gewidmet:

1. Journey = Experience?

Nein. Journey und Experience sind vielmehr zwei Seiten der gleichen Medaille.

Die Customer Journey ist individuell. Sie beschreibt den Weg, den ein Kunde geht, um zum Ziel zu gelangen. Abhängig von der Absicht, persönlichen Vorlieben und Routinen kommen Kundinnen mit vielen oder wenigen Touch Points zum Ziel.

Die Experience hingegen ist die gesamte Wahrnehmung, die eine (potenzielle) Kundin von einem Unternehmen oder einer Marke erhält – sie setzt sich aus allen Interaktionen mit der Marke zusammen.

Beide haben den Perspektivwechsel vom Touch Point zum Kunden gemeinsam. Was helfen also einzelne Touch Point Strategien, wenn die Customer Journey vom Bedürfnis des Kunden aus gesteuert und die Customer Experience aus Sicht des Kunden bewertet wird? Deshalb braucht es eine Customer Experience Strategie, die für jede Interaktion Leitplanken und Freiheitsgrade bereitstellt, um situativ angemessen mit den Kundinnen in Kontakt zu treten. Die Aufträge der einzelnen Touch Points ergeben sich daraus.

2. Zu Tode getoolt?

Kann mit Automatisierung alles erschlagen werden? Die klare Antwort: Nein. Tools helfen beim Handling komplexer und vielfältiger Daten, aber sie sind nutzlos ohne die gedankliche Vorarbeit, die das „Wofür“ und das „Wie“ definiert.

Es mangelt selten an Daten, Studien und Insights. Die große Herausforderung besteht vielmehr darin, die Informationen an den richtigen Stellen zum richtigen Zeitpunkt für die richtigen Personen zugänglich zu machen. Zu viele wichtige Insights versickern an Abteilungsgrenzen oder fließen nur ungenügend ins System.

Deshalb braucht es für die Arbeit an der Customer Experience ein gutes Maß an Disziplin und Strukturen. Tools stellen ein wichtiges Zahnrad im dynamischen System dar, aber ein Customer Experience Mindset und die Zusammenarbeit an eben diesementstehen erst durch Verbündete, Storytelling, freigestellte Ressourcen und institutionalisierten Austausch.

3. Sind Kunden nicht auch nur Menschen mit Gefühlen?

In diesem Fall lautet die Antwort ausnahmsweise: Ja. Mehr noch: Diese Sichtweise wirkt sich auf das grundlegende Verständnis von Customer Experience aus. Um wirklich starke Markenerlebnisse kreieren zu können, darf der Fokus nicht auf Customers im Sinne von Kundinnen und Käufern liegen, sondern vielmehr auf den Menschen mit spezifischen Bedürfnissen und Intentionen. Sobald wir aufhören, von Kunden zu sprechen, hören wir auch damit auf, den Menschen nur etwas verkaufen zu wollen anstatt mit ihnen zu interagieren.

Dieser Perspektivwechsel eröffnet neue Möglichkeiten und lässt sich ebenso auf die Marken selbst übertragen: Dahinter stehen auch nur Menschen mit Gefühlen. Das bedeutet für Customer Experience, dass es um das Gestalten der Interaktionsmomente zwischen Mensch und Marke geht. Und somit direkt oder indirekt mit den Menschen, die hinter der Marke stehen.

Wie aber geht man als Marke damit um, dass die Anzahl der Interaktionsmomente ebenso wie die Erwartungshaltung an die Interaktionsqualität rasant steigen? Statt zu versuchen, alle Interaktionsmomente zu steuern, sollte die Energie auf einige wenige „Signature Interactions“ gelegt werden. Auf die Momente, die den Menschen besonders wichtig sind, die ihnen wirklich in Erinnerung bleiben und damit das Potenzial haben, die gesamthafte Wahrnehmung der Marke zu prägen.

Bei der Bewertung von Customer Experience Projekten müssen dementsprechend nicht nur Performance KPIs, sondern auch Brand KPIs berücksichtigt werden. Nur so können sowohl die ökonomische Relevanz als auch die Auswirkungen des Erlebnisses auf die Wahrnehmung der Marke aus Kundinnensicht validiert werden.

Nie am Ziel

Proaktiv Interaktionen aus Kundensicht zu gestalten, die im Einklang mit der Marke stehen, ist eine hohe Kunst. Energie und Geld in diese Aufgabe zu investieren, lohnt sich am Ende aber unbedingt. Denn Customer Experience ist Ausdruck der Marke, sie schafft gezielte Begeisterungsmomente, die in Erinnerung bleiben und die Basis für eine lebenslange Beziehung zwischen Kunde und Marke schaffen.

Dieser Beitrag ist aus den Ergebnissen des diffferent Opportunity Labs zum Thema Customer Experience entstanden. Wir haben einen Tag mit CX Managern aus insgesamt zehn Unternehmen über die zentralen Fragen diskutiert, u.a. Mercedes.io, Audible, Nestlé und Deutsche Bahn.

Sie haben auch ein Thema, das dringend mehr Klarheit braucht? Das Sie gerne vom Hype in konkrete Stellschrauben übersetzen wollen? Und Sie schätzen den offenen Diskurs? Dann schreiben Sie uns.

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